Besuch in Kenia

„Einstein“-Lehrer verbringen Osterferien im Kinderheim in Kenia

Ein Bericht von Uli Hillenbrand

Die vergangenen Osterferien haben zwei „Einstein“-Lehrer, Jochen Dörr mit Familie und ich, bei Nairobi im Kinderheim „Openhand Children's Home“ verbracht. Dieses Kinderheim und seine Bewohner werden vom Förderverein „Karibu Openhand“ in vielfältiger Weise unterstützt. Entstanden ist „Karibu Openhand“ im Rahmen der Leitbild-AG am Einstein-Gymnasium. Zu den Spenden-Aktionen der AG gehört z.B. der Stand auf dem Kehler Weihnachtsmarkt, dessen Erlöse an den Verein fließen. Darüber hinaus ermöglicht die Zusammenarbeit mit dem Kinderheim Begegnungen zwischen Schülern unserer Schule mit den Kindern und Jugendlichen von Openhand, die für beide Seiten eine große Bereicherung darstellen. Im August werden wieder Schülerinnen mehrere Wochen im Kinderheim helfen.

Ostern 2017 in Kenia

Hier nun ein paar Reiseeindrücke aus den zurückliegenden Osterferien:

Die Anreise
Nach einem achtstündigen Flug, der vor allem durch einen kleinen, lauthals seine Forderungen schreienden Jungen in der Reihe vor uns geprägt wird (die letzten 20 Minuten beim Anflug singt er ununterbrochen: „ICH HABE HAARE AUF DER BRUST, ICH BIN EIN BÄR, BÄR, BÄR!“), landen wir in der Nacht in Nairobi auf dem „Jomo Kenyatta International Airport“. Das ist insofern ein Fingerzeig, weil Jomo Kenyatta mit der Unabhängigkeit Kenias 1963 erster Ministerpräsident des Landes wurde – mittlerweile regiert sein ältester Sohn Uhuru Kenyatta das Land, das auf dem aktuellen Korruptionsindex von Transparency International Platz 145 von 176 Nationen belegt.

Der Weg zum Kinderheim
Am Flughafen wartet Erustus – ein zuverlässiger Taxifahrer aus Nairobi, der uns zum Kinderheim fahren wird. Das liegt bei Kitengela, eine Stadt ca. 25 Kilometer im Einzugsgebiet der Millionenstadt. Allerdings hat es zuletzt nach schwerer Dürre etwas stärker geregnet, sodass die unbefestigten Wege zum Kinderheim unter Wasser stehen. Man hat uns deshalb geraten, einen alternativen Weg zu nehmen. Die Person, die das übernimmt, verpassen wir aber zuerst, um sie nach einiger Warterei an einer Abzweigung von der Namanga Road zu finden. Der Mann auf dem Motorrad dirigiert unser Taxi in der Nacht durch Wasser- und Schlaglöcher zum Kinderheim.

Der Weg zum Kinderheim

Das Kinderheim
Das Kinderheim ist 2012 als Neubau eingeweiht worden mit tatkräftiger Unterstützung von „Karibu Openhand“ und anderer Spender. Vorher befand sich das Heim in einem Slumbezirk in Nairobi, den man aus Sicherheitsgründen als Besucher besonders nachts meiden sollte. Insofern stellt das Heim in der (noch) lose besiedelten Umgebung eine Verbesserung für seine Bewohner da, die mehr Platz und ein festes Dach über dem Kopf haben, während in unmittelbarer Nachbarschaft viele Menschen in notdürftigen Wellblechhütten leben. Um das Kinderheim herum gibt es von den Bewohnern landwirtschaftlich genutzte Flächen, Ställe und zwei ‚Gewächshäuser‘ – und neuerdings auch eine solide Steinmauer, die z.B. auch Löwen und Hyänen fernhalten soll, die schon in der Nähe gesichtet wurden. Markant sind besonders voluminöse schwarze Behälter, die z.T. auf meterhohen Zement-Podesten ruhen. In diese Tanks wird das Wasser für das Heim gepumpt.

Im Kinderheim

Dürre-Zeiten
Durch die schwere Dürre und fehlende Bewässerung wächst in diesem Jahr bisher allerdings kaum etwas auf den Feldern und zwei der Kühe des Heims sind bereits verendet, während sich die Kaninchen ein wilder Hund geholt hat. Prinzipiell sieht der Neubau nach fünf Jahren, was einigermaßen typisch für die Standards vor Ort ist, so aus, als müsste er bald wieder kernsaniert werden. Die Wände bröckeln, Waschbecken rinnen, Steckdosen (wo noch vorhanden) brechen aus den Wänden und auf der Einkaufsliste für ein neues Heim müssten ganz oben u.a. ein Kühlschrank und neue Matratzen stehen.

Die Bewohner
Etwa 30 Menschen bewohnen das Kinderheim, die meisten sind Kinder und Jugendliche, die für kenianische Verhältnisse in besseren Verhältnissen leben: Die Kinder haben jeden Tag Mahlzeiten, können zur Schule gehen oder eine weiterführende Ausbildung machen und werden im Heim nicht misshandelt oder geschlagen (wie oftmals in ihren früheren Familien). Das ist viel wert, wenn man sich die Verhältnisse außerhalb an der Straße nach und in Kitengela anschaut, wo ein Menschenleben wenig zählt. Dort laufen viele Menschen z.B. morgens mit leeren Kanistern zu einer Stelle, wo Wasser für wenige Cent (bzw. Schillinge) verkauft wird, um es weiterzuverkaufen. Wer in Deutschland relativ behütet und versorgt aufgewachsen ist, für den ist das Leben im Kinderheim auf engem Raum, in Schmutz, Armut und Abhängigkeit von Spendern dagegen auf Dauer wohl kaum erträglich. Das Zusammenleben der Bewohner funktioniert aber erfreulich gut, die Kinder lachen und spielen sehr viel miteinander, ältere kümmern sich um jüngere Bewohner und als Gemeinschaft müssen die jungen Bewohner ihre Mahlzeiten gemeinsam kochen, müssen putzen und waschen (weitgehend ohne westliche Haushaltsgeräte).

Gewächshaus

Essen im Heim
Während wir im Heim sind, fallen die Mahlzeiten tendenziell besser aus als in unserer Abwesenheit, da unsere Einkäufe für die kurze Zeit die Vorratskammer füllen. Allerdings wird im Kinderheim niemand zunehmen, denn Zwischenmahlzeiten gibt es keine und Fleisch ist eine absolute Ausnahme. An guten Tagen gibt es im Kinderheim Kartoffeln im Eintopf und auch Chapati (Fladen aus Weizenmehl), an schlechten viel Kraut, Sukuma Wiki (spinatartiges Blattgemüse) und Ugali (ein Maisbrei, dem besonders Herr Dörr mit Chili-Sauce aus einem großen Kanister etwas Geschmack abzuringen versucht). Süßigkeiten sind ein Luxus für die Bewohner: Im ‚gehobenen‘ Supermarkt in Kitengela kostet z.B. eine Ferrero-Roger-Packung mehr als 20 Euro.

Im Straßenverkehr
Der Straßenverkehr vor Ort ist überwiegend frei von jeglicher Regelung durch eine äußere Ordnung: Straßenschilder sind die absolute Ausnahme (manchmal sieht man am Wegrand ein umgefahrenes) und Ampeln gibt es praktisch keine (wo es sie gibt, werden sie ignoriert). Hin und wieder sieht man einen Polizisten den Verkehr mit energischen Handzeichen regeln und man fragt sich, wie er bei dem Ausmaß von Abgasen, die ungefiltert ausgestoßen werden, den Tag überlebt. Ansonsten herrscht auf den Straßen in, um und bei Nairobi in der Regel immer Betrieb und häufig Stau. Wie auch an Kreuzungen gilt es hier die feine Kunst zu beherrschen, so dreist und rücksichtslos sein Auto in die gewünschte Position zu bringen, dass der andere Fahrer nur durch einen Zusammenstoß Vorfahrt bekommen könnte. Außerdem kompensieren die Autofahrer vor Ort den Mangel an Fahrspuren bei einem Stau, indem sie alles befahren, was sie rechts und links der Straße vorfinden. Geprägt wird der Straßenverkehr dabei durch die zahllosen Matatus, Kleinbusse, die als Sammeltaxi dienen, deren Fahrer es besonders eilig haben.

Überholen
In Kenia herrscht Linksverkehr, was aus Deutschland kommend das Gefühl erzeugt, dass man es prinzipiell mit lauter Geisterfahrern zu tun hat. Besonders viele Kilometer legen wir auf der zentralen Straße nach Kitengela und weiter nach Nairobi zurück: die Namanga Road. In Deutschland wäre diese Straße mindestens eine mehrspurige Bundesstraße oder Autobahn, in Kenia ist sie eine einspurige Fahrbahn, neben der zahlreiche Menschen und auch Rinder, Ziegen und Schafe herumlaufen (besonders jetzt auch auf der Suche nach etwas Grün auf den Seitenstreifen) oder darauf warten von Matatus oder Motorradtaxis aufgepickt zu werden. Weil ein Teil der Verkehrsteilnehmer nicht schneller als 50 km/h fahren kann (vor allem die „Tuk-Tuks“, dreirädrige Autorikschas) muss ständig überholt werden – in Verbindung mit der mangelnden Ausbildung der Fahrer, der Fahruntüchtigkeit vieler Fahrzeuge sowie dem Wunsch, Sprit zu sparen und es beim Überholen mit der Geschwindigkeit auch nicht zu übertreiben, kommt hier als Beifahrer meistens keine Langeweile auf.

Einkaufen in Kitengela
Zu den vielen Fahrzeugen auf den kenianischen Straßen, die in Deutschland nicht auf den Parkplatz zum TÜV vorgelassen würden, gehört auch der alte Schulbus, der vor dem Kinderheim steht. Mit diesem fahren wir, Herr Dörr am Steuer, mehrere Male im Lauf unseres Aufenthalts zum (Groß-)Einkauf für das Kinderheim. Von der Heimmutter Esther bekommen wir dazu eine lange Liste, die die Ausmaße des Busses völlig überschätzt. Zum Beispiel sollen wir u.a. 20 Heuballen für die Kühe kaufen, allerdings sind im Bus gerade noch Platz für sechs. Der Einkauf erfordert es dabei auch, auf den örtlichen Markt in Kitengela zu fahren, der wie die ganze Stadt ein einziges Gewimmel von Menschen und Fahrzeugen ist, in das Herr Dörr allerdings wie ein Einheimischer unbeirrt mitten hineinfährt und neben den verwinkelten Holzverschlägen und Hütten parkt. Dabei passt er sich auch perfekt den lokalen Fahrsitten an und ersetzt den kaputten Blinker einfach durch Hand-aus-dem-Fenster-Strecken.

Einkaufen in Kitengela

Ausflüge im Bus
Der Kleinbus leistet auch treue Dienste, wenn wir mit dem ganzen Kinderheim (gemeinsam in einem Bus versteht sich) einen Ausflug in eine nahegelegene Gartenanlage machen, in der die Kinder spielen und in einem kleineren Pool schwimmen können, was sie mit großer Freude machen. Dort bestellen wir auch die Lieblingsmahlzeit, Hühnchen mit Pommes, für alle – im Vergleich zum Alltag im Kinderheim wieder echter Luxus. Problematisch wird es nur (was aber fast immer der Fall gewesen ist), wenn der Bus einen platten Reifen hat. Ein möglicher Ablauf ist dann: Wir fahren vor dem Ausflug zu einer Tankstelle, weil es im Bus bzw. Heim keinen Wagenheber gibt. An der Tankstelle erklärt man uns, dass sie auch keinen Wagenheber haben. Wir sollen zu einer nahegelegenen „Werkstatt“ fahren. Das tun wir. Dort hocken junge Menschen zwischen kaputten LKW-Reifen und einem auf groben Steinbrocken stehenden Wagen. Die aber auch keinen Wagenheber haben. Wir fahren zu einer neuen Tankstelle und pumpen Luft in den kaputten Reifen oder lassen den Reifen notdürftig reparieren. Am nächsten Tag ist ein anderer Reifen platt. Wir fahren wieder zur Tankstelle.

Wahlkampf vor Ort
Im August wird in Kenia gewählt. Momentan laufen die Nominierungskampagnen, bei denen besonders in der Region des Kinderheims die Kandidaten der Regierungskoalition („Jubilee Coalition“) lautstark für sich werben. Dafür bezahlen sie Anhänger, die auf frisch lackierten Jeeps mit Lautsprechern die Straßen auf- und abfahren und auch mal den Straßenverkehr (zusätzlich) lahmlegen. Plakatieren nehmen die Wahlkämpfer auch sehr ernst – noch auf dem kleinsten Feldweg findet man ihre Wahlplakate und in den Städten werben sie im Riesenformat. Besonders auffällig ist, wie dick der typische Politiker in Kenia ist, der von den Plakaten lächelt (oder lächerliche Gesten macht) – im Vergleich zu den unzähligen ganz überwiegend jungen Menschen, die man überall an der Straße laufen, auf eine Mitfahrgelegenheit warten oder am Straßenrand sitzen sieht. Es lohnt sich offenbar in Kenia zur politischen Elite des Landes zu gehören (siehe auch die Platzierung im Korruptionsindex von Transparency International).

Die Safari-Parallelwelt
Ein ganz anderes Afrika als im Kinderheim oder in den Straßen von Kitengela bietet sich auf Safari, wenn man die entsprechenden Unterkünfte wählt. Auch wir reisen für zwei Tagen in die Nähe des Mount Kenya (vorbei an gewaltigen Bananen-, Tee-, Ananas- und sonstigen Plantagen die häufig dem amerikanischen Del-Monte-Konzern gehören) in das Sweetwaters Serena Camp, um den Big Five mit der Kamera nachzujagen. Dreimal Buffet am Tag, warme Dusche und allzeit bereites Personal heben sich doch sehr stark vom Alltag im Kinderheim ab. Während man in Kitengela nie einen weißen Menschen in den Straßen sah, gastieren hier mehrheitlich westliche und asiatische Touristen. Dazu kommen reiche Einheimische. Wie immer wenn ausländische Touristen oder eine gesellschaftliche Schranke involviert sind, kontrollieren (auch bewaffnete) Uniformierte den Zugang, ob im Safari Camp, im Country Club, Einkaufszentrum oder Hotel und bei den Wohlstandsviertel und Gated Communities, in denen sich die gesellschaftliche Oberschicht des Landes abschottet.

Ostern in Kenia
Der größte Teil der Bevölkerung Kenias gehört einer christlichen Kirche an. An Ostern verstecken wir im Garten des Kinderheims hartgekochte Eier und Süßigkeiten (Schokoriegel und Lollys), die die jungen Bewohner zum ersten Mal in ihrem Leben mit großer Begeisterung suchen und nach gemeinsamer Verteilung glücklich aufessen. Ein Freund, dem ich ein Bild von der Oster-Ausbeute der Kinder schicke, ist bei Verwandtschaft in Frankreich und kommentiert: „Cool, wie süß! – Bei so wenig Auswahl hätten die Kinder hier allerdings geheult...“

Ostern in Kenia

Die Abreise
Erustus, der uns beim Kinderheim abholen und zum Flughafen bringen will, steckt im Stau, deshalb behelfen wir uns in der Not mit einem anderen lokalen Taxifahrer (den kennen wir schon von einer Fahrt, bei der er zeitweise einzuschlafen drohte und die Scheibe anstarrte wie ein Kurzsichtiger ein Buch vors Gesicht hält). Gekonnt manövrierte er uns diesmal über Neben-, Stand- und Baustellenspuren durch den Stau bis zum Flughafen. Gelöst und froh erreichen wir bald das Gate. Hier begegnen wir dem kleinen Schreihals vom Hinflug mit seiner Familie bei der Sicherheitskontrolle, wo er in Tränen aufgelöst schreit, weil ihn das Sicherheitspersonal den Weg abseits des Bodyscanners verweigert hat. Sonntagmorgen vor dem Start in die neue Schulwoche kommen wir mit vielen Eindrücken, schönen, heiteren, aber auch sehr nachdenklich stimmenden, in Frankfurt an.

Wer den Förderverein „Karibu Openhand“ und damit das Kinderheim bei Nairobi und seine Bewohner unterstützen möchte, kann dies z.B. mit einer Spende tun:

Spendenkonto Karibu Openhand e. V.
Sparkasse Hanauerland
BLZ: 66451862
Konto-Nr.: 10572172
IBAN: DE80 6645 1862 0010 5721 72
BIC: SOLADES1KEL

 

Bildergalerie

 
 
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Kontakt

Tel. +49 (0) 7851 / 99470
info@karibu-openhand.de

Elefanten

Weitere Bilder gibt es auf der Homepage des Einstein-Gymnasiums!

 
 

Förderverein Karibu Openhand. e.V. · Einstein-Gymnasium Kehl · Haydnstr. 3 · 77694 Kehl · Tel. +49 (0) 7851 / 99470 · info@karibu-openhand.de